Hallo zusammen,
wie der Titel schon sagt, folgt eine kurze Rezension zur Doppel-CD „The Film Music of Mark Isaacs Vol. 1“ vom eigentlich stillgelegten australischen Soundtrack-Label 1M1-Records. Es handelt sich dabei um eine Compilation mit vier Zeichentrickfilm-Scores aus den 80ern.
Kurz zum hierzulande leider eher unbekannten Komponisten, den ich auch persönlich kenne: Mark ist sowohl ausgebildeter Jazz-Pianist als auch studierter klassischer Symphoniker und seine Konzertwerke (u. a. zwei Symphonien) verbinden auf bemerkenswerte Weise europäische Kompositionstechniken des ausgehenden 19. Jahrhunderts mit dezenten Jazz-Elementen, aber auch Einflüssen Neuer Musik (vor allem freie Tonalität, Expressionismus etc.). Für seinen seinen relativ kurzen Ausflug in den Bereich der Filmmusik während der 80er und frühen 90er hat sich Mark allerdings hauptsächlich von klassischen Golden-Age-Scores im Stile Korngolds und Steiners leiten lassen. Allerdings hat er dabei eine erfrischend eigenständige Tonsprache entwickelt, in der durchaus auch – dem jeweiligen Historien-Setting zum Trotz – ein bisschen Jazz-Glanz durchschimmert, wie der ein oder andere wohl platzierte große Septakkord oder Fanfaren mit swing-artig ternären Rhythmen immer mal wieder klarmachen. Filmmusik dieser Art – wenngleich allesamt für Kinderfilme – findet man nicht alle Tage.
Jetzt zu den vier einzelnen von 1M1 zusammengestellten Suites:
A Tales of Two Cities: Marks erste Filmmusik überhaupt und dann direkt für eine Charles-Dickens-Verfilmung ist gleichzeitig auch seine avangardistischste. Das sehr große Orchester nutzt er in allen seinen Klangfarben, auch was alternative Spielweisen wie Col legno in den Streichern, Pitchbending auf den Pauken etc. angeht. Trotzdem bleibt die Musik stark leitmotivisch geprägt, was das aufmerksame Hören erleichtert und dem Score in Teilen schon fast etwas Wagnerianisches gibt. Die Passagen für die höfischen Szenen erinnern hingegen eher Elgar. Auch wenn ich die Musik keineswegs kleinreden will, ist dieser Score doch der für mich geschmacklich am wenigsten greifbare der vier. Liegt vielleicht auch am eher düsteren/tragischen Setting der Geschichte (beginnende Terr*rherrschaft Robespierres ab 1793 in Paris).
The Adventures of Robin Hood: Titelgebend und für mich zusammen mit Ivanhoe filmmusikalisch am stärksten ist ganz klar die Musik für diesen ans Swashbuckler-Genre angelehnten gezeichneten Errol-Flynn-Verschnitt aus dem Jahre 1985. Die gesamte Suite wird dominiert durch ein an Korngold erinnerndes, von Trompeten getragenes Heldenthema. Hier gibt es in 22 Minuten alles, was man sich von einem waschechten Abenteuer-Score um Burgen, Ritter und Schwertkämpfen erhofft. Angenehm sind auch die ruhigeren Passagen, die mit Flöten, Leiern und Handtrommeln (in der Aufnahme vermutlich eher Akustikgitarren) pseudo-authentisches Mittelaltermarkt-Feeling aufkommen lassen. Auffällig ist im Stereospektrum aber die recht deutliche Rechtslastigkeit (bedingt durch die Blechbläser). Hier hätte man beim Mastern ein wenig stärker auf Ausgeglichenheit achten können. Natürlich ist das Geschmackssache und mit Audacity bekommt das eigentlich auch jeder selbst hin, der darf Bedarf sieht.
Die Aufnahmen sind übrigens alle auf (für damalige Verhältnisse) höchster Qualitätsstufe erstellt und nachträglich perfekt von 1M1 restauriert worden. Von persönlichen Präferenzen abgesehen, gibt es da wirklich nichts zu beanstanden.
Ivanhoe: Im Grunde gefällt mir Ivanhoe nach zweitem Durchhören genauso gut wie der Robin. Beide Suites gleiten durch dasselbe Setting auch wunderbar ineinander, wo ja sogar das Robin-Motiv im Track „Ivanhoe Meets Robin Hood“ sehr präsent zitiert wird. Woran das wohl liegen könnte... :P Für Filmmusik-Fanboys auffällig dürfte die mit King Richard assoziierte Fanfare mit zwei Quart-Sprüngen zu Beginn sein, lässt sie doch irgendwie ein gewisses Weltraum-Feeling aufkommen...
Rob Roy: Strenggenommen ist wohl diese letzte Suite die schwächste der Compilation: deutlich kleineres Orchester, eher kurzweilige humoristische Mini-Cues aneinander gereiht und eher klischeehaft cartoonhafte Orchestrierungen. Aber gerade durch die irisch-keltischen Einflüsse (eigentlich sollte es ja eher schottisch sein
) vor allem in der Begleitung bekommt das Ganze einen beschwingten folkloristischen Drive und steigert sich mit „Rob Roy Pardoned“ zu einer ordentlich majestätischen Abschlussfanfare hoch.
Fazit also: Sehr lohnenswertes Album eines vermutlich für die meisten völlig unbekannten „nebenberuflichen“ Filmkomponisten mit toller Abenteuer-Musik, der man ihren Zeichentrick-Ursprung (mit Ausnahme der letzten drei Tracks) wirklich absolut nicht anmerkt. Gerade Score-Enthusiasten, die wie ich schon was länger „im Geschäft“ sind und dringend neuen, bisher unbekannten Stoff brauchen und die sämtliche Main Themes von Goldsmith, Williams und Horner im Schlaf nachsummen können, sollten hier zuschlagen. Auch wenn man momentan bei Bestellungen aus Australien mit einer zwei- bis dreimonatigen Lieferzeit rechnen muss, lohnt sich das Warten definitiv!
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