Es ist ein windig bis böig-stürmischer Morgen heute, und trotzdem hat mich etwas auf den Balkon hinausgelockt, nachdem ich noch vor Beginn der astronomischen Dämmerung ein Fenster zum Lüften gekippt und gelauscht hatte.
Im nahe gelegenen Wald lieferten sich zwei Nachtigallen-Hähne einen hörenswerten Gesangswettstreit. Die waren in einer unglaublichen Polyrhythmik und tonalen Vielfalt unterwegs. Wie sich das für Imponiergehabe gehört, versuchte jeder, die Takte und Melodielinien des jeweils anderen zu kopieren und mit eigenen Beiträgen aufzupeppen. Ich hoffe, die Hennen wussten es zu schätzen. Mir tropften jedenfalls die Augen, weil ich in Erinnerungen schwelgte...
Seit April 1995 in Montescudaio, Provinz Pisa, Toscana, Italien, einem sehr malerischen Ort, hatte ich keine derartigen Darbietungen mehr zu Ohren bekommen. Damals war ich mit meiner späteren Ehefrau, Mutter meiner beiden erwachsenen Kinder und seit 2013 Ex-Frau in einem unerwartet verschneiten Osterurlaub, kaum zweihunderfünfzig Meter über dem Meeresspiegel und unweit des Ligurischen Meeres. Die ganze Nacht sangen zwei Nachtigallen um die Wette, was sie und ich noch nie erlebt hatten - hier in der Gegend gab es bis vor drei Jahren überhaupt keine. Später habe ich auf Dienstreisen in der Magdeburger Börde gelegentlich vor dem Hotel welche gehört. Dort gab es damals - und gibt es hoffentlich immer noch - so viele davon, dass sich länger anhaltende, spannende Gesangsduelle zwischen zwei bestimmten Hähnen allerdings nicht ergaben.
Seit 2017 war hier jedes Jahr ein einzelner Hahn zu hören, der erheblich stimmfauler war. Der Herr sang ein wenig nach Einbruch der Dunkelheit, zog dabei aber zwischendurch öfter herum, sodass man ihn meist nicht lange gehört hat. Wohl weil kein Mitbewerber da war, war er wenig ausdauernd, und morgens war er nie zu hören.
Übrigens fingen Amselhähne hier dieses Jahr schon Mitte Februar, ausgerechnet am Valentinstag, mit Balzgesängen an - ein Zeichen dafür, dass die Hennen schon früh aus dem "Winterurlaub" zurück waren. Es war eben eindeutig zu warm...
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